Wie ernähren sich Eishockeyspieler? Ein Interview mit Athletik-Coach Giovanni

Freitag, 3. Februar 2023
3.02.2023

Wenn man pauschal die Frage stellt: „Wie ernähren sich Eishockeyspieler?“, wäre die einfachste Antwort: „Gesund“.  Doch ganz so einfach ist es nicht, denn es gibt viele Unterschiede, die der Sportler beachten muss. So macht es bereits einen Unterschied, was man vor oder nach dem Spiel, oder nach einem Workout isst. Ganz abgesehen von möglichen Allergien, Unverträglichkeiten oder, ob der Spieler Vegetarier oder Veganer ist, ist die Ernährung von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Athletikcoach Giovanni Willudda kümmert sich in Straubing auch um die richtige Ernährung und gibt uns einen Einblick.

Grundsätzlich sagt Giovanni: „Im Endeffekt ist es Kalorienhaushalten. Ich muss wissen, wie viele Kalorien ich verbrenne und entsprechend zu mir nehme. Dann muss man nur aufpassen, dass es auch hochwertige, gute Kalorien sind. Auf sichtbare Fette, also auf Schweinebraten mit Fettschicht, Zucker im Kaffee oder Süßigkeiten sollte man besser verzichten.“ Es dreht sich alles also um Kohlehydrate, Eiweiß, Zucker und Fett. Fleisch sollte demnach so mager wie möglich sein.

Nahrungsmitteltheorie

Fett ist aber nicht gleich Fett und Zucker nicht gleich Zucker: Industriezucker (Saccharose) sollte man meiden, Fruchtzucker im Obst ist zwar auch Zucker, aber dieser wird im Körper insulinunabhängig abgebaut, was ein wichtiger Unterschied ist.  

Weiter muss man wissen, wie viele Kalorien man verbraucht. Ein erwachsener Mann im Alter von 25 bis 50 Jahren verbraucht etwa 2.300kcal, wenn er einen Bürojob mit sitzender Tätigkeit hat. Bei einem körperlich arbeitenden Bauarbeiter liegt man etwa bei 3.500kcal. In diesem Bereich liegen auch Fußballprofis. Sie verbrennen etwa 1.500kcal pro Partie und kommen auf einen Tagesbedarf von rund 3.500kcal. Hingegen auf einer Bergetappe der Tour de France verbrennen die Radprofis bis zu 10.000kcal. Ex-Gewichtheber Matthias Steiner, Weltmeister und Olympiasieger, hat in einem Interview seinen Kalorienbedarf mit durchschnittlich 6.200kcal angegeben. An harten Trainingstagen waren es bis zu 8.000kcal. Ein Eishockeyspieler verbraucht etwa 4.500kcal am Spieltag.

Interessante Zahlen dazu findet man in der Schweiz. Bei einem Spiel zwischen dem EHC Visp Lions und dem SC Bern wurden mehrere Spieler mit einem Messgerät ausgerüstet. Visps Martin Alihodzić verbrannte 3.500kcal, Berns Verteidiger Eric Blum nur 1.900kcal. Trotz des großen Unterschiedes hat Giovanni sofort eine Erklärung: „Die Zahlen sind schon plausibel, denn ein größerer und schwerer Spieler hat von Haus aus einen höheren Grundumsatz.“ Martin Alihodzić ist mit einer Körpergröße von 190cm und 94kg ausgestattet, Eric Blum hingegen ist nur 177cm groß und 78kg schwer. Gio sagt weiter: „Jeder Spieler sollte seinen Grundumsatz wissen. Bei uns liegt der Durchschnitt etwa bei 2.200kcal plus Aktivität. An einem Spieltag brauchen die Spieler zwischen 4.500kcal und 5.000kcal.“

Auch die Unterschiede zwischen Fußball und Eishockey lassen sich erklären: „Das liegt an der Art der Belastung. Fußball ist eher eine Ausdauerbelastung – im Eishockey sprintet man eher. Wenn du eine Stunde läufst oder eine Stunde Krafttraining machst, verbrennst du beim Krafttraining weniger. Wenn du aber eine Stunde HIT-Krafttraining (anm.: High Intensity Training) machst, verbrennst du damit mehr. Beim Laufen geht der Verbrauch zwar hoch, fällt aber auf das Normallevel ab, wenn man aufhört zu laufen. Beim Krafttraining wird ein zusätzlicher Reiz gesetzt und die Muskulatur muss nacharbeiten. Man fällt also nicht sofort auf seinen Grundumsatz zurück. Daher rate ich auch jedem zu Kraftsport zusätzlich zum Ausdauersport.“

Nun muss man aber natürlich auch wissen, wie viel Kalorien die jeweilige Nahrung bringt. Giovannis Empfehlung für ein Frühstück sieht so aus: „Magerquark, Haferflocken, Obst, Eiweißpulver. Da hast du alles dabei. Alternativ geht zum Beispiel auch eine Dinkel-Lachs-Semmel mit Avocado und danach eine Banane.“

Körperfett ist der Maßstab

Giovanni berichtet: „Bei uns ist alles auf Vertrauen ausgerichtet. Zu Saisonbeginn wird Gewicht und Körperfett gemessen, das wird ein- bis zweimal im Monat von mir kontrolliert und dann sieht man, ob es große Ausreißer gibt oder nicht. Im Bereich zwischen acht und zwölf Prozent Körperfett sollten sich die Spieler befinden. Durch die regelmäßige Kontrolle kann man entsprechend eingreifen und steuern.“ Um diese acht bis zwölf Prozent einordnen zu können: Für Männer bis zum Alter von 40 Jahren gelten Werte zwischen 15 und 22 Prozent als normal. Gio erzählt weiter: „Die Grenzwerte haben wir im Trainerteam besprochen und festgelegt. Ein Athlet allgemein sollte nicht über 15 Prozent Körperfett haben.“

Auch bei der Ernährung kommt es, wie bei so vielen Dingen im Eishockey, auf den Sommer drauf an. Denn es ist keinesfalls so, dass man in der eishockeyfreien Zeit schludern darf. Giovanni erzählt: „Es ist entscheidend, in welcher Verfassung der Spieler hierher kommt. Wenn ich sehe, er kommt mit einer guten Grundathletik und ist beim Körperfett da, wo er hin muss, dann hat der sich mit dem Thema Ernährung sicher schon mal auseinandergesetzt. Da muss ich dann nichts machen. Vor allem ältere Spieler haben ihre Systeme, da muss man auch nichts ändern. Wenn es aber nicht passt, setzen wir uns zusammen und zeigen ihm einen geführten Weg.“

Der Kalender bestimmt

Bei Thema Ernährung kommt es auch darauf an, über welchen Zeitpunkt man sich unterhält. „Da muss man dann aber auch unterscheiden, in welcher Phase wir sind. Ist Sommer, dann will ich schon, dass der Spieler schwerer wird und Muskulatur aufbaut. Habe ich einen Spieler, der im Körperfett etwas drüber ist, setze ich mich mit ihm zusammen und wir erarbeiten einen Plan. Ich mag ihm aber nicht genau vorschreiben, dass er 100g hiervon und 200g davon essen muss, sondern wir setzen uns mit der Ernährung im Ganzen auseinander“, berichtet der Coach.

Der Unterschied zwischen Off-Season und Saison ist also nicht nur die Menge, die man zu sich nimmt. Gio führt weiter aus: „Du brauchst zwischen zwei und drei Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Bei 80kg Körpergewicht wären das also 240g Eiweiß. Das Problem ist, dass der Körper bei einer Mahlzeit maximal 30g Eiweiß verwerten kann. Wenn du jetzt ein 200g Steak mit 50g Eiweiß isst, ist das zwar nicht schlimm, aber 20g Eiweiß darf ich in die Rechnung gar nicht aufnehmen. Das heißt also mehrmals essen. Man braucht zwischen den Mahlzeiten etwa drei Stunden, bis man wieder etwas zuführen kann. Mein Rat ist immer, lieber vier oder fünfmal am Tag essen oder auch mal einen Proteinshake trinken. Frühstück, Mittagessen, Abendessen und zwischendurch zwei Shakes sind also in Ordnung. In der Saison schaut man auch, was für ein Wochentag ist. Vor dem Spiel versuchen wir, abends die Kohlenhydratspeicher vollzumachen. Das Abendessen vor einem Spiel sollte in jedem Fall auf den Spieltag ausgerichtet sein. Und auch nach dem Spiel sollen alle drei Grundstoffe dabei sein: Kohlehydrate, Eiweiß und Ballaststoffe.“

Auswärts essen

Zu Hause kann man alles gut planen. Auswärts sieht das anders aus. Gio berichtet: „Bei uns wird nur Essen bestellt. Was wir dann letztendlich bekommen, wissen wir gar nicht. Darum kümmert sich immer die Heimmannschaft.“ Die jeweiligen Catering-Partner wissen, was Eishockeyprofis brauchen und liefern entsprechende Auswahl. Die Küchenchefs der Hotels haben zudem die nötige Erfahrung, um das Richtige zu jeder Tageszeit auf den Teller zu bringen. Auch mit speziellen Gerichten, für zum Beispiel Veganer, hat man keine Sorgen. „Auswärts ist das ebenfalls kein Problem. Man muss nur Bescheid geben, dass man vegane oder vegetarische Alternativen braucht. Das klappt auch bei den Mahlzeiten nach dem Spiel. Aber die Veganer haben auch ihre eigenen Dosen und Rezepte in den Sporttaschen dabei. Veganer und Vegetarier kennen sich in der Regel ohnehin besser im Thema Ernährung aus, die meisten haben sich damit schon intensiv auseinandergesetzt.“

Aber was ist mit kleinen und manchmal großen Sünden? Zum Beispiel: Schokolade zum Krimi oder McDonalds mit den Kids.  Das kennt auch unser Athletikcoach und sagt: „Bei uns ist eben wirklich viel auf Vertrauensbasis gelegt. Aber am Tag vor einem Spiel isst sicher keiner Fastfood. Ich esse das ja auch gerne mal, aber jeder weiß, wie voll, schwer und träge man sich danach fühlt. Das will sich ja keiner vor einem Spiel antun. Das Vertrauen, das man den Spielern entgegenbringt, bekommt man auch zurück. Bei uns gibt es daher keine Verbotsliste.“

Der Extrakick

Auch das Thema Nahrungsmittelergänzung spielt hauptsächlich im Sommer eine Rolle. Gio meint dazu: „Ich bin Fan davon, so natürlich wie möglich zuzuführen. Wenn du dich ausgewogen ernährst und du dein Gewicht halten willst, kommst du mit normaler Ernährung aus. Was anderes ist es im Sommer, wenn du Muskulatur aufbauen willst, dann brauchst du Eiweiß, also Proteine, und das wird schon oft schwierig ohne Nahrungsmittelergänzung. Da unterstützt man dann mit Eiweißshakes.“ Auch im Spiel ist es schwierig zu essen. Den berühmten Hungerast kennt man hauptsächlich aus dem Radsport, kann aber auch einen Eishockeyspieler ereilen. Gio weiß: „Das geht dann nur mit einem sog. Power-Gel.“ 

Nach so viel Essen braucht man auch was zum Trinken. Am meisten wird Wasser getrunken. Giovanni berichtet: „Was bei uns auch viele trinken, sind elektrolythaltige Getränke. Da gibt’s bei uns die Auswahl zwischen Powerbar und BioSteel. Da bedient sich jeder nach persönlichem Geschmack.“ 

Autor: Armin Holl-Wagner

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