Die Zeit des Aufbaus

Mittwoch, 26. Januar 2022
26.01.2022

Am Ende der Saison 1947/48 stand der erste große Erfolg der Straubinger Eishockeygeschichte: Der TSV 1861 Straubing wurde Meister der Kreisklasse und stieg damit in die Landesliga auf. 

Großen Anteil am Aufstieg hatte ein Spieler, der auch in den kommenden Jahren das Eishockey in Straubing prägen sollte: Emmerich Antoni. Das sportliche Multitalent stammte aus dem siebenbürgischen Klausenburg (im heutigen Rumänien) und war in den Wirren am Ende des II. Weltkriegs zunächst in Plattling gestrandet. 1947 kam er nach Straubing, um beim TSV Fußball zu spielen. Doch auch mit dem Eishockeyschläger wusste der ehemalige Junioren-Nationalspieler umzugehen und ging im Winter mit der Eishockeyabteilung des TSV auf das Eis. Obwohl er 1948/49 mit acht Toren in zehn Spielen teaminterner Topscorer wurde, konnte er auch den sofortigen Wiederabstieg des TSV in die Kreisliga nicht verhindern. Die Gegner in der Landesliga erwiesen sich letztlich als zu stark für die jungen Straubinger Spieler. 

Die Verhältnisse in den 1950er- und 1960er-Jahren hatten mit heutigen Profiverhältnissen freilich wenig zu tun. Die Mannschaft bestand zunächst nur aus neun bis zehn Mann, erst in den 60er-Jahren wurde der Kader stetig größer. Das brachte es mit sich, dass die beiden Verteidiger immer auf dem Eis blieben und sich vorne zwei Sturmreihen abwechselten. Einen Trainer gab es in den ersten Jahren nicht, das Training lag in der Eigenverantwortung der Spieler. Erst als Max Pielmaier, der 1946 die Eishockeyabteilung innerhalb des TSV Straubing gegründet hatte und lange Jahre ihr erster Vorstand war, seine aktive Spielerlaufbahn beendete, übernahm dieser die Trainingsarbeit. 

Gespielt wurde damals auf dem Eisweiher, der sich im Bereich des heutigen Stadionvorplatzes/VIP-Parkplatzes unmittelbar neben der Straße befand. Im Sommer wurde der Eisweiher von der Fischerei/Fischzucht Mayer genutzt. Im Herbst wurde das Wasser zunächst in den Moosmühlbach ausgelassen. Dann bauten die Spieler um die Eisfläche herum die Bande auf und ließen das Wasser anschließend wieder so weit ein, dass es bis zum unteren Rand der Bande ging. Vor den Spielen sowie in den Drittelpausen mussten die Spieler das Eis selbst wieder aufbereiten. Dazu holte Harry Poiger warmes Wasser aus der elterlichen Essigfabrik, das dann in Fässern zum Eisweiher gerollt wurde. Um das Eis zu glätten, zog ein Spieler einen Teppich über die Spielfläche, während ein anderer fortwährend warmes Wasser darauf goss. 

„Innerhalb weniger Wochen von Weihnachten bis Januar musste die ganze Saison über die Bühne gehen. Wenn es sehr warm war, konnten wir oft nicht einmal die Saison zu Ende spielen. Zum Teil sind wir sogar hinter dem Tor eingebrochen und bis zu den Knien im Wasser gestanden“, erzählt Josef Krönner, der 1950 als 16-Jähriger sein erstes Spiel für den TSV Straubing machte. Ein großes Problem war stets das Training, da man in den wenigen Wochen, in denen der Eisweiher zugefroren war, auch noch mit den Aktiven der Eiskunstlauf-Abteilung des TSV um Übungszeiten konkurrieren musste. „Wir konnten fast nie trainieren. Als Landshut dann die Kunsteisbahn bekommen hat, durften wir dort von 23 Uhr bis 1 Uhr trainieren und sind erst um drei Uhr morgens heimgekommen. Aber die Kameradschaft unter uns war immer hervorragend. Wir haben ja alles selbst bezahlt, sind mit den eigenen Autos gefahren und mussten sogar Stromgeld zahlen“, so der ehemalige Stürmer. 

Eine Eishockeyausrüstung war in den Nachkriegsjahren nur schwer zu bekommen, so dass oft improvisiert werden musste: „Unsere Ausrüstung haben wir uns teilweise selber zusammengenäht. Die Schienbeinschützer zum Beispiel waren amerikanische Zuckersäcke, die wir mit Watte gefüllt haben. Als Hosen haben wir einfach Torwarthosen vom Fußball getragen. Und von den Amerikanern haben wir irgendwann Football-Schulterschützerbekommen“, erzählt Josef Krönner. Da sich in der Nachkriegszeit nur wenige die teure Eishockeyausrüstung leisten konnten, stammten die Spieler fast durchweg aus vermögenden Straubinger Familien, so z. B. Werner Jansen, dessen Eltern ein Fotogeschäft unterhielten, Otto Markgraf (Pelzwaren), Max Pielmaier (Bäckerei am Ludwigsplatz), Max Pellkofer (Spenglerei) oder Harry Poiger (Essigfabrik und Kolonialwaren). Die größten Sponsoren in den 50er-Jahren waren die Eltern von Erich Hornauer, Josef Krönner und Harry Poiger. Da Emmerich Antoni nebenbei die Tennismannschaft der amerikanischen Besatzungstruppen trainierte, verfügte er über gute Verbindungen zu deren Sportoffizier und konnte diesen überzeugen, der jungen Eishockeymannschaft die Holztribüne eines Footballplatzes für den Eisweiher zu überlassen. Und Graf Arco, dessen Tennistrainer er ebenfalls war, überredete er die erste richtige Bande zu spendieren. 

Geselligkeit und Kameradschaft waren bei den Straubingern groß geschrieben: „Nach jedem Spiel saß man noch im „Club-Lokal” Zagelmann in der Regensburger Straße zusammen, wo man zum Teil sogar gemeinsam mit den gegnerischen Spielern feierte. Von Werner Jansen wurde ein Lied „komponiert“, das von Spielern und Fans gemeinsam gesungen wurde: 

„Haut ses zamm, haut ses zamm, 

des is unser Schlachtgesang, 

wenn ma oamoi leicht verspür´n, 

dass ma des Spui verliern. 

Dann geht´s rund, kunterbunt, 

der Schiedsrichter, der g´scherte Hund, 

is der erste allsogleich, 

übermorg´n is d´Leich. 

Toni brüllt wia a Stier: 

`Tuats eahm nix, der Kerl g´hört mir. 

Nachher, wenn des Spui vorbei, 

renn i eahm s´Messer nei!´ 

Sche is so a Hockeyspui, 

des is a Hetz und kost net vui, 

damit auch der kleine Mann 

sich diese Freude leisten kann. 

Mit´n Perlbachtaler fahr´n wir weg 

und kommen doch gar net vom Fleck. 

Man kann sag´n, was ma wui, 

sche is so a Hockeyspui.”

In den 50er- und 60er-Jahren gelang zwar regelmäßig der Aufstieg in die Landesliga, wo sich die Straubinger dann aber kaum halten konnten, da dort alle anderen Mannschaften auf Kunsteis spielten und spielerisch weit überlegen waren. So folgte ein ständiges, zermürbendes Auf und Ab zwischen Kreisklasse und Landesliga – zu wenig für den mittlerweile etablierten und ambitionierten Verein. Mit der Zeit wurde auch dem Letzten klar, dass Eishockey auf Natureis keine Zukunft mehr haben würde und unbedingt ein Kunsteisstadion her musste. Der Stadionbau wurde 1966/67 in erster Linie von Hans Wolf, dem Vorstand der Eisstockabteilung des TSV Straubing, und von Georg Heindl von der Eishockeyabteilung in die Hand genommen. Heindls Söhne Hans und Klaus waren begeisterte Eishockeyspieler und er war es auch, der die erste Eismaschine kaufte. „Eigentlich müsste das Stadion `Georg Heindl-Stadion´ heißen, denn ohne den hätte es das Stadion nie gegeben“, erzählte der 2012 mit 91 Jahren verstorbene Antoni einmal im Interview mit der Stadionzeitung. Zunächst gab es lange Verhandlungen mit der Stadt Straubing, wo das Stadion überhaupt gebaut werden sollte. Die Stadtverwaltung plädierte für das ehemalige Kasernengelände an der Wittelsbacher Höhe, das der Staat jedoch nicht an die Stadt veräußern wollte. Heindl und Wolf setzten sich für den heutigen Standort ein. Das Gelände war zwar in städtischem Besitz, bestand jedoch zum Großteil aus Sumpf. Erst als Hans Wolf für 50.000 DM Füllmaterial aus seiner Kiesgrube spendierte, um den Eisweiher aufzufüllen, war die Stadt einverstanden. Josef Krönner bemühte sich gemeinsam mit Wolf und Heindl die erforderlichen Kredite für den Stadionbau zu beschaffen. Aber auch als das Geld endlich zusammen war, mussten von den Vereinsmitgliedern noch viele Stunden Eigenleistung erbracht werden, ehe das Stadion endlich am 18. November 1967 eingeweiht werden konnte. Die Rohre für die Kühlflüssigkeit unter der Eisfläche wurden damals aus der DDR geliefert, von Spielern und weiteren Helfern selbst verlegt und waren bis vor zwei Jahren noch in Benutzung. Trotz des für die damalige Zeit immensen Aufwandes blieb vieles noch provisorisch: Als Zuschauertribünen bekam man von der Bahn Holzschwellen, die auf den rund um die Eisfläche aufgeschütteten Erdwällen (aus dem Aushubmaterial des Stadions) angebracht wurden. Die Umkleidekabinen blieben noch viele Jahre schlichte Baracken. Dennoch waren mit dem Bau des Kunsteisstadions endlich Bedingungen geschaffen, um auch in höhere Ligen aufsteigen zu können. 

Dr. Markus Retzer

Weitere Neuigkeiten

Mehr News

« »