Powerplay | Saison 2020/21 | Ausgabe 3

hält das Video kurz an: „Hier ist ein Chip (Anm. d. Red.: Kurzpass bzw. einfacher Bandenpass, der gespielt wird, um in die nächste Zone zu gelangen). Man muss den auf den eigenen Mitspieler entstehenden Druck lesen können und das zu vermitteln, ist unser Job. Wenn das gelingt, dann ‚kau- fen‘ die Spieler das ein. Wenn sie das aus dem Stanley Cup-Finale sehen, dann hat das einen Aha-Effekt. Wie gesagt, wir wol- len von den Besten lernen.“ Der Coach ist voll in seinem Element und hat sofort den nächsten Clip parat: „Hier ist wieder ein Rim, aber ohne Druck.“ Für jede Situation hat Tom Pokel einen passenden Clip, die Sammlung scheint unendlich. Das Ganze geht so weit, dass aus einzel- nen Clips ganze Sequenzen erstellt wer- den, in denen gezeigt wird, wie der Geg- ner in eine für das eigene Team vorteilhafte Position gebracht werden kann und ein ver- gleichsweise einfacher Scheibengewinn möglich ist. „Wir versuchen, den Gegner zu steuern und bringen ihn dazu, das zu tun, was wir wollen.“ So zumindest ist der Plan. So wird Eishockey zum Schachspiel der jeweiligen Trainer: „Dabei ist der Spie- ler nicht immer der Bauer oder der Läufer oder der Turm. In manchen Situationen ist ein Spieler der Bauer, in anderen Situatio- nen ist er aber der König.“ Tom Pokel erklärt: „Die Spieler müssen wissen, was sie zu tun haben und wie sie in gewissen Situationen handeln sollen. Mein Job ist es, genau das den Spielern zu vermitteln. Andere Trainer lassen die Zügel lockerer und überlassen das mehr den Spielern selbst. Es gibt Teams, da funktioniert das auch, die haben viele Leader in der Mannschaft und sind viel erfahrener.“ Das bezieht der Headcoach der Straubing Tigers vor allem auf das Defensivspiel, denn Tom hat vor einiger Zeit in einem Interview auch gesagt, dass man den Spielern in manchen Situationen Freiheiten lassen muss. Das bestätigt er: „Ich denke, in der Offensive ist das so. Aber für mich geht es darum, wie wir uns in einer defensiven Situation verhalten.“ Wer an die Anfangszeit von Tom Pokel in Straubing zurückdenkt, der erinnert sich sicher daran, wie viel Wert der Coach schon damals auf eine stabile Defensive gelegt hat: „Wir haben Regeln und eine ge- wisse Struktur im Spiel mit der Scheibe so- wie in gewissen Situationen, aber es geht auch andersherum. Die Spieler haben Ins- tinkt und Talent, das lasse ich sie in ihre Entscheidungen in der offensiven Zone einbringen.“ Zugespitzt könnte man also sagen: Defensiv mit viel Struktur und Of- fensiv mit viel Kreativität. Tom meint dazu: „Ja, aber immer mit einem Grundgerüst. Darum können bei uns junge Spieler auch leichter eingebaut werden, die Struktur ist für einen jüngeren Spieler dieselbe wie für einen älteren Spieler.“ Wie der Begriff „Gerüst“ schon vermuten lässt, ist das Ganze kein starres System. Das Spiel verändert sich nicht nur von Situation zu Situation, sondern auch über einen längeren Zeitraum. Tom erklärt: „Im Laufe der Saison verändert sich der Sta- tus der einzelnen Spielzüge im Kopf der Spieler. Es ist nicht mehr das, was ich will, sondern was die Spieler selbst wollen. Sie haben es ‚gekauft‘.“ Das bringt uns wieder an den Anfang des Berichtes und spannt den Bogen zum Trainingscamp zu Beginn der Saison. Tom Pokel weiter: „Zuerst ist es mein Produkt, welches ich an die Spieler verkaufe. Im Lauf der Saison aber haben die Spieler es gekauft und besitzen es jetzt. Das ist jetzt ihr Produkt und sie machen von allein, was ich von ihnen will. Klar gibt es immer Momente, in denen man den Spielern einzelne Kleinigkeit wieder prä- sent machen muss, aber im Großen und Ganzen sind das dann nur mehr Feinhei- ten.“ Das nennt man dann wohl „die klei- nen Stellschrauben“ und von denen gibt es immer mehr als genug, sodass dem Trainerteam die Arbeit nie ausgeht. Armin Holl-Wagner Ausgabe 3 | Saison 2020/21 | Clubmagazin POWERPLAY | Straubing Tigers 79 COACHES CORNER

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